Judith flog zurück nach Wien und nach den windstillen Tagen mit ihr in Dahab, zog der Wind wieder auf und ich um. Von unserem Zimmer, mit der mächtigen Kuppel aus Ziegelsteinen, siedelte ich in Jörgs Hotel in eine hölzerne Koje und konnte mich für einen Tauchgang zum Blue Hole fertigmachen. Das Blue Hole ist, neben dem Canyon, der bekannteste Tauchplatz in der Nähe Dahabs und für einen Tauchfrischling, wie meiner einer, auch eine gute Wahl. Zwar kann man hier zig Meter nach unten tauchen, muss man aber nicht. Ich bleibe derzeit noch auf 18 Meter Tauchtiefe beschränkt, da noch ein wenig zu unerfahren mit meinen 4 Tauchgängen. Freue mich aber umso mehr, da dieser Abstieg in die Unterwasserwelt der erste ohne vorherige Übungen und tauchspezifischer Aufgaben war und ich so nur die ach so bunte Welt unterhalb des Wasserspiegels beobachten konnte. Immer wieder ein schönes Erlebnis, da hier in Dahab der Kontrast zwischen oben und unten sehr groß ist. In der oberen Welt herrscht die Wüste des Sinai, eine karge vegetationslose Landschaft, mit Rotbraun als tonangebende Farbe und zerfurchten Gebirgserhebungen, die vor allem vom schneidenden Wind geformt wurden. Unter Wasser zerfällt das Eintönige in tausende Farbschattierungen und das Leben pulsiert im Überfluss. Es ist ruhig, keine Windbö zerzaust das Haar und statt dem Wüstensand frisst man nur die, durch den Kompressor gefilterte Luft der Sauerstofftanks, der am Rücken fast gewichtslos befestigt ist. Die unbekannten Fische winkten mit ihren Flossen und Jörg neben mir schwebte wie ein Stachelrochen geschmeidig durchs salzige Wasser.
Am Donnerstag beschließen wir nach 1 ½ Wochen in Dahab, diesen Ort den Rücken zu kehren und nach dem Haschemitischen Königreich Jordanien aufzubrechen. Über die Agentur von Bischbischi erstehen wir ein Ticket nach Aqaba. Da wir Israel derweilen noch meiden wollen, da wir mit einem israelischen Stempel im Pass nicht nach Syrien kommen können (diese zerstrittenen Söhne des Sem), nehmen wir eine Katamaran-Fähre von Taba nach Aqaba.
Die halbstündige Überfahrt über den Golf von Aqaba, diesen Seitenarm des Roten Meeres, wird problemlos genommen, da die See uns ohne Wogen gewogen ist. Sogar die Einreiseformalitäten sind ohne Querelen von Statten gegangen. Zuerst bekamen wir nur ein Visum für einen Tag! Nach einer kurzen Unterredung mit den jordanischen Zollbeamten, wurde der Eintages-Stempel händisch mit dem Vermerk „one month“ überschrieben und der Pass eingezogen. Mussten zuerst am Hafenvorplatz kurz auf ein Auto der Schifffahrtsagentur warten. Dies zusammen mit einer Russin, welche die selbe Prozedur wie wir durchlief. Allerdings war sie nicht ganz so ruhig, die liebe blonde Frau. Ständig telefonierte sie heftig mit irgendwem, dem sie erzählte, dass sie nicht weiß, wo ihr Pass geblieben ist, was hier überhaupt passiere und sowieso und überhaupt. Nach mehreren hektischen und verstümmelten Sätzen gab sie schließlich ihr Handy an mich weiter!? Nach längerem Hin und Her mit dem Anrufer musste ich ihm aber gestehen, dass ich kein Zollwachebeamter bin und so war das seltsame Gespräch auch schon beendet. Wir wurden abgeholt und auf der Straße zwischen der Stadt Aqaba und dem Hafen wurden uns die Pässe wieder mit dem kostenlosen Visumsstempel übergeben. Die aufgedrehte Russin war dann auch beruhigt. Seltsamerweise stellte sich aber heraus, dass sie schon seit Jahren hier in Aqaba lebt und jedes Mal dieses immer gleiche Prozedere durchmacht. Wozu dann die Aufregung? Seltsam, aber so ist es geschehen.
Das erste, was in Jordanien im Vergleich zu Ägypten auffiel, war die Nettigkeit der Jordanier. Es war am Anfang fast unheimlich, dass man mit den Menschen hier redet kann, ohne gleich Bakschisch dafür ablegen zu müssen. Wirklich ungewohnt. Zuerst waren wir noch ein wenig scheu und zurückhaltend, legten dies aber bald ab und sind zufrieden mit dieser herzlichen Art der Bevölkerung des Haschemitischen Königreichs Jordanien.
Von Aqaba aus fuhren wir gleich mit einem Taxi, welches von Mousa gelenkt wurde zum Wadi Rum weiter. Mousa scheint einen Minarett-Lautsprecher verschluckt zu haben, der ständig eingeschalten ist. Die ganze Fahrt über redete er auf uns ein und stoppte den Wörterfluss nicht einmal, als wir schon übermüdet vom frühen Aufstehen leicht entschlummert waren. Übernachten sollten wir direkt im Wadi Rum in einem sandfarbenen Dreiecks-Zelt nahe der ersten mächtigen Felsklippen, die dem Wadi seine unvergleichliche Aura geben.
Zuerst ging es aber noch auf eine erste Erkundungstour in nahe Umfeld. Jörg spielte mit Beduinen-Kindern auf alten Mauerresten „Tom und Jerry“, wobei er der Tom war und ich erklomm ein kleines Steinhaufen-Hügelchen zur ersten Kontemplation. Die Granit- und Sandstein-Massive scheinen von einem riesenhaften Wesen der Unterwelt unter größten Kraftanstrengungen aus der endlosen Weite der sandigen Wüste nach oben gepresst worden zu sein. Wo diese Felsmauern nun für den dazwischen liegenden Sand ein Becken bilden, in dem die Wüstenschiffe nun ihre Karawanenkreise ziehen können. Besser für das Vorwärtskommen der Kamele wäre es aber gewesen, wenn die Evolution für diese eine Art Segel statt des Höckers vorgesehen hätte, denn der Wind pfeift hier überall und das noch dazu in seiner kältesten Form. Von den wärmenden Sonnenstrahlen ist nur wenig zu bemerken, da der Wind die Sonnenenergie förmlich aufzufressen scheint.
Auch sind die zerklüfteten Felswände ein wahres Paradies für Kletterer, die hier gerne herpilgern, um mit ihren dünnen Schühchen die beigen Klippen zu bezwingen. Zur gleichen Zeit fand hier eine dreitägige Beduinenhochzeit statt, die ich lautstark von meinem Hügelchen aus beobachten konnte. Mehrere Schuss aus der Pistole wurden abgefeuert und die schwarzen Zelte der Frauen, Männer und der Küche wehten im Wind. Das ganze Dorf war in Aufruhr und wir wurden mehrmals eingeladen teilzunehmen. Leider verplauderten wir uns beim Tee mit Minze mit Touristen und kamen erst in die Nähe des Festgelages, als der letzte Feuerwerkskörprer verschossen war und die Lagerfeuer nur mehr schwach dahinloderten. In der Nacht kühlte es dann merklich ab und es regnete sogar auf unser Zelt. Zur großen Freude der ansässigen Beduinen, da dies der erste Regen nach 1 1/2 Jahren war und endlich wieder die Wasserreservoir aufgefüllt wurden. Weiter im Wadi Rum soll es sogar ein wenig geschneit haben und zwei Deutsche, die wir später trafen, haben aus dem gesamten Schnee einen ungefähr 5 cm hohen Schneemann gemacht. Seltsam, die Götter der Wüste weinten, als sie uns angesichtig wurden.
So beschlossen wir, nächsten Tags eine Wüstentour mit Jeep und Beduinen zu machen. Mit einem Fahrzeug, dessen Innenausstattung an einen nachkriegs Steyr-Puch-Traktor erinnerte, fuhren wir zu unserem ersten Halt, der Lawrence-Quelle. Lawrence von Arabien, der britische Archäologe und Geheimagent soll hier im Wadi seine geliebten Beduinen um sich gescharrt haben und mit ihnen dann die, damals sehr erfolgreiche Guerilla-Taktik gegen das schwächelnde Osmanische Reich im 1. Weltkreig angewendet haben.
Hier erklommen wir also den Steilhang zum Ursprung der Quelle und schnell wieder retour über die vom Vortagregen etwas nassen Steine. Diese Hast wurde Jörg allerdings zum Verhängnis. Die noch nicht getrockneten abendlichen Tränen der Himmelsgötter liessen Jörg straucheln und er knickte böse mit seinem linken Fuß um. Die Schwellung des Knöchels, durch die Überdehnung der Bänder hervorgerufen, erfolgte Schlagartig und der Schmerz liess auf seiner Stirn Schweissperlen entstehen. Also Wüstentour abgebrochen und zurück nach Aqaba. Und wie es sich für zwei Guerilla-Bergsteiger gehört, ins örtliche Militärspital. Dort wurde geröngt und in den Hintern gespritzt, einbandagiert und gute Tipps gegeben. Jörg hat jetzt nach seinem Vertrauensarzt in Äthiopien noch einen in Jordanien – ein weltweites Netz ist im Entstehen 🙂
Wir warten jetzt mal ab, dass die Schwellung und der Schmerz vergeht und sind guter Dinge, unsere Reise gemeinsam bald wieder fortsetzten zu können, insch`allah. Derweilen liegt Jörg im Hotelzimmer unter seiner Mickey Mouse-Bettwäsche und kühlt und leckt seine Wunde, während ich das Verbindungsglied zur freundlichen Außenwelt darstelle und die Nahrungsmittelversorgung nicht abreißen lasse.
Mit dem Wunsch auf baldige Besserung für meinen Freund und Reisekompagnon Jörg verbleibe ich erstmal.
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wow – diese bilder und anekdoten sind der hammer. leider auch der knöchel. wenn eure götter euch eine pause aufzwingen dann soll es wohl so sein. macht das beste draus!
viel geduld euch beiden und gute besserung an jörg!
Gute Besserung für Jörg! Erholsame Tage in Aqaba Danngeht es sicher weiter auf den Spuren von Lawrence von Arabien.Alles Gute1
Alles Gute auch vom Gerhard.