Welch eine Überraschung – von Syrien kommend in die Türkei einzureisen, war wirklich ein kleines Heimkommen nach Europa. Mit dem Bus aus Aleppo fuhren wir ohne nenneswerte Schwierigkeiten bis nach Antakya an der türkischen Mittelmeerküste. Es war ruhig und beschaulich dort, keine schreienden Habibis, keine allzu verschleierten Frauen und die zu tausenden neben dem Straßenrand liegenden blauen Plastiksackeln sowie deren großen Brüder, die Pet-Flaschen, waren auch aus der Landschaft verschwunden. In der warmen Frühlingssonne von Antakya nahmen wir gleich unser erstes köstliches Kebab entgegen und anschließend zu uns. Wir fuhren durch die ebenfalls durch kulinarischen Genüsse bekannten Orte Iskander (-Kebab) und Adana(-Kebab), bis wir knapp vor unserem Ziel in Nevsehir aus dem Minibus raus mussten, um ein Taxi zu unserem Bestimmungsort Göreme in Kappadokien zu nehmen. Die Fahrt war geprägt von weiten Ebenen, die nun grün zu sprießen anfingen, weiten mit Plastikplanen abgedeckten Obstplantagen und herrlich weiß verschneiten Bergen. Nach den vielen Wüstengebieten endlich wieder saftige Wiesen. Hier möchte man gerne ein weidenes Rindvieh oder besser ein Schaf sein, um die Köstlichkeiten der aufkeimenden Natur richtig auskosten zu können. Also Türkei rein in die EU!
Sehr erfreulich war während der Busfahrt auch die Wertschätzung meines Spitznamens. Von Zahnpasta bis Hustenzuckerln wird er beworben und gepriesen.
Die Fahrt nach Kappadokien war an sich auf unserer Reiseroute nicht eingeplant. War eine Spontanentscheidung. Wir wollten nicht länger in Israel bleiben und uns Damaskus in Syrien anschauen. So bot es sich an, gleich durch die Türkei nach Istanbul zu fahren, von wo aus unsere Reise weiter gehen soll. Auf halben Weg zwischen Syrien und der ehemaligen Stadt Konstantinopel liegt die bizzare Vulkanlandschaft Kappadokien, die auf jeden Fall einen Besuch Wert ist. Im Land der schönen Pferde, gibt es zwar nicht mehr viele Pferde, dafür aber erigierte Tuffskulputeren in denen man schlafen kann und ein wunderschönes Wandergebiet.
Natürlich wollten wir in Göreme auch authentisch wohnen, das heisst in einer der von Wasser und Wind geformten Steinskulpturen. An sich kein Problem, wir bekamen auch eine solche im namhaften Hotel „Flintstone“. Was wir in der Euphorie nicht bedachten, war, dass es in der Nacht zu dieser Jahreszeit noch sehr kalt ist und eine Höhle auch nicht unbedingt der wärmste Platz ist. So schliefen wir in unseren kälteerprobten Schlafsäcken in einem noblen hölzernen Doppelbett und hofften auf den morgigen Sonnenaufgang und wärme Zeiten. Sobald die Sonne ihr Antlitz zeigt, wird es wirklich angenehm warm. Wir wechselten aber doch unser Zimmer. Wir blieben im Flintstone, da der Hotelleiter Mehmed ein wirklich sehr angenehmer Zeitgenosse ist, der sich sehr interessiert über unsere Reiseerlebnisse, Fotos (vor allem die der schönen Äthiopierinnen) und Videos (die Graswurzel fressenden Gelada-Baboons hatten es ihm angetan) zeigte. So zogen wir gleich in sein Zimmer und teilten uns die beheizte Behausung zu dritt. Auch wurden wir von Mehmed am letzten Tag zum Abendessen eingeladen. Zu feieren gab es die Volkswahl eines seiner Freunde zu einem Art Standesbeamten in einem Grätzel von Göreme. Dieser Kandidat der AKP ist jetzt zuständig für Geburts- und Sterbefälle und die Ansprechperson für Sorgen seiner Grätzelgemeinschaft, also so ein Art kleiner Bürgermeister. Gefeiert wurde mit den wohl bestgegrilltesten Hühnerteilen, die ich jemals zwischen meine Zähne schieben durfte. Ausgezeichnet gewürzt, saftig und richtig durchgebraten zu gleich.
Doch nicht nur die Menschen waren nett zu uns, auch die Tierwelt nahm sich unser an. So fanden wir einen neuen Freund im Straßenköter Balu oder Ketchup (die Souvenierstandler nannten ihn so). Dieser zweifach benannten Hund wurde durch ein Keks angelockt und wich uns während des Besuches der frühchristlichen Höhlenkirchen nicht mehr von der Seite. Dies ging so weit, dass er uns zu Kirchen begleitete, die nur über eine steile Stahltreppe zu erreichen waren. Rauf ging gerade noch, runter nicht mehr. So mussten wir ihm aus dieser misslichen Lage retten, da er auch herzzerreisend winselte (siehe hier).
Diese von Balu miterkundeten Kirchen stammen aus der frühzeit des Christentums und wurden teilweise in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung errichtet. Es befand sich hier auch ein Bischofssitz und die ein wenig seltsam anmutende Lehre der Dreifaltigkeit von „Gott“ Vater, „Gott“ Sohn und „Gott“ Heiliger Geist wurde hier von wichtigen Heiligen der Kirche mitentwickelt.
Für die Christen war Kappadokien ein gutes Rückzugsgebiet vor Verfolgungen und es wurden hier auch weitläufige Untergrundstädte für tausende Menschen aus dem weichen Tuffgestein geschlagen. Schmale Eingänge führen in ein Gewirr von Gängen, die gut gegen Eindringlinge verteidigt werden konnten und in größere Räume, in denen das Leben unentdeckt von den feindlichen Herrscharen nach christlichen Vorgaben ablaufen konnte. Aber beeindruckender als all die von Menschenhand gemachten Unterschlüpfe und Kirchen, waren die von Wasser und Wind modellierten bizzaren Felsskulpturen. Das Gebiet von Kappadokien war in der Frühzeit der Erdgeschichte geprägt von Vulkanausbrüchen. Es wurden riesige Mengen von Vulkanasche ausgeworfen, welche sich zu einem relativ dichten Tuffgestein verfestigte. Oberhalb dieser Tufflage lagerte sich beständigeres Basaltgestein ab, das die darunter liegenden Schichten vor der Auswaschung schütze und einen Wald von Steingemächten hinterliess. Die Erde zeigt sich hier teilweise von ihrer männlichen Seite.
Nicht nur die Menschen sind überwältigt von den Naturschönheiten, auch die Tierwelt macht etwas aus dein vorherrschenden Eindrücken. So gesehen bei den weisen Schildkröten, die sich gerne zwischen den Felsformationen austoben ( Video siehe hier).
Doch nicht nur die Steinerektionen fesselten, auch die umliegende Landschaft lockte mit den runden ausgewaschenen Formen. Ein wahres Paradies zum Rumwandern und Schauen.
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endlich wieder eine reisegeschichte! es ist immer wieder ein sehr erfreulicher genuss. nur mit dem man der die welt erschaffen hat bin ich nicht einverstanden. an solchen überdimensionalen gesteinsformationen erfreuen sich frauen mindestens genauso. überdimensionale steinbrüste wären etwas anderes und würden als beweis männlicher erschaffung durchgehen.
ich hoffe du hast in deinem rucksack für ein paar nane-souveniers gefunden?!
lg
judith